Trennung verstehen: Die Trennungsphasen

TimeaAllgemein

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Wenn Sie gerade akut mit Ihrer eigenen Trennung oder Scheidung konfrontiert sind, haben Sie zusätzlich zu den Herausforderungen an Ihre Alltagsgestaltung wahrscheinlich auch eine ganze Reihe von starken Gefühlen, mit denen Sie zurechtkommen müssen. Oft herrscht bei den Betroffenen ein regelrechtes Gefühlschaos im ständigen Wechsel zwischen Unsicherheit, Verzweiflung, Trauer, (Existenz-)Angst, Wut, Enttäuschung und eine ganze Bandbreite dazwischen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob Sie verlassen worden sind, oder Ihren Partner verlassen haben bzw. sich überlegen, diesen zu verlassen. Diese Gefühle sind typische Symptome einer Trennungskrise und daher – leider – ganz normal. Sie lassen sich bestimmten Trennungsphasen zuordnen, die jede/r bei einer Trennung mehr oder weniger intensiv und lang durchlebt und deren Kenntnis Ihnen hilft, nicht völlig orientierungslos und überrumpelt durch die Zeit der Trennungskrise zu navigieren.

Die Phase der Ambivalenz

Jeder Trennung geht eine mehr oder weniger lange Phase der Prüfung voraus, in der zumindest einer der Partner die Vor- und Nachteile einer Trennung abwägt. Dieser innere Trennungsprozess beginnt in der Regel schon lange bevor der Trennungswunsch erstmals ausgesprochen wird. Die Vorstellung einer Trennung macht Angst, gleichzeitig wird auch das Gefühl stärker, dass die Beziehung so wie bisher nicht weitergehen kann. Gekennzeichnet ist diese Phase von einer inneren Zerrissenheit. Positive Gefühle nehmen aufgrund der Unzufriedenheit ab und die emotionale Bindung zwischen den Partnern wird instabil. Können die als belastend wahrgenommenen Beziehungsprobleme nicht bewältigt werden, führt dies zu einer endgültigen Distanzierung zwischen den Partnern und schlussendlich zu einer Trennung. Durchlebt nur einer der Partner eine solche Ambivalenz, wird das Trennungsgespräch von diesem häufig als erleichternd erlebt, weil endlich ausgesprochen wurde, was wohl schon länger für sie/ihn im Raum stand. Für das Gegenüber ist ein solches Gespräch allerdings alles andere als erleichternd. Gerade beim Beziehungs-Aus aufgrund von außerehelichen Liebesbeziehungen kommt diese Art der Trennung für zwei Drittel der Sitzengelassenen gänzlich unerwartet.

Die Phase der Verleugnung und des Schocks

Wurde die Trennung von Ihrem Partner initiiert, trifft Sie der Trennungswunsch möglicherweise wie ein Blitz aus heiterem Himmel. „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ lässt Goethe Faust diesen Satz sprechen und so geht es vielen auch. In dieser Phase, die einige Wochen andauern kann, geht es um das blanke emotionale Überleben. Leugnen und Verzweiflung gehen hier Hand in Hand. Der Glaube, dass man alles wieder rückgängig machen könne, wenn man sich nur wirklich anstrengte, wechselt sich mit Phasen der völligen Erstarrung ab. In dieser Zeit geht es vordergründig darum, handlungsfähig zu bleiben und schlicht und einfach zu überleben. Es ist eine Phase des Schocks. Um sie zu überstehen braucht es jetzt zweierlei: radikale Selbstfürsorge und das Besinnen auf Stärken und Ressourcen. Wie Sie am besten durch diese Phase des Schocks kommen, lesen Sie in meinem Beitrag Plötzlich verlassen – Überleben in der Trennungskrise.

Die Phase der Verzweiflung

Trauer und Schmerz sind in dieser Phase die dominanten Gefühle. Die Erkenntnis, dass alles vorbei ist, überrollt einen und wirkt sich auch körperlich aus: Schlafprobleme, Appetitlosigkeit, Unruhe und viele Tränen sind häufig begleitende Symptome. Verzweiflung macht sich breit gepaart mit dem Gefühl des Verlusts von Perspektive, Träumen, Sinn, Identität und dem Eindruck, den Boden unter den Füßen verloren zu haben. Es entsteht der Wunsch sich einzuigeln oder im Gegenteil, sich mit aller Kraft abzulenken. Beides ist verständlich und in gesunden und sinnvollen Maßen wichtig.

Dies ist die längste der Trennungsphasen und dauert mehrere Monate. Sie ist mit einer Depression vergleichbar. Damit es nicht langfristig eine wird, sollte auch hier der Fokus auf Selbstfürsorge liegen.

  • Tun Sie sich jeden Tag bewusst etwas Gutes und gestehen Sie sich die Zeit ein, nicht gleich wieder funktionieren zu müssen.
  • Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen guttun und mit denen Sie offen reden können.
  • Essen, trinken und schlafen Sie! Schauen Sie gut auf sich, wie auf ein kleines Kind, denn körperliche Erschöpfung macht Sie noch verletzlicher und damit alles noch schlimmer!
  • Distanzieren Sie sich nach einer Trennung von Ihrem Ex-Partner. Wenn Kinder vorhanden sind, beschränken Sie den Kontakt auf den sachlichen Austausch über Belange der Kinder. Keine Vorwürfe, keine endlosen WhatsApp-Nachrichten. Bewahren Sie Haltung!
  • Holen Sie sich professionelle Hilfe und lassen Sie sich durch Trauer und Schmerz begleiten.

Die Phase der Wut

Nach der Verzweiflung kommt die Wut. Wut in konstruktive Bahnen geleitet ist wichtig, dient der Loslösung und bereitet den Weg zur Akzeptanz. Wut, die sich in Racheakten und Eifersucht manifestiert ist destruktiv, macht Sie abhängig von Ihrem Ex und hält Sie in dem Beziehungsdrama gefangen. Beschränken Sie daher bewusst die Zeit, die Sie der Wut einräumen und suchen Sie sich Kanäle, in die Sie die Wut umleiten können:

  • Schreiben Sie sich die Wut von der Seele – als Brief oder als Tagebuch – aber bewahren Sie auch hier Haltung und schicken Sie den Brief nicht ab.
  • Reden Sie über Ihre Wut mit Ihrer besten Freundin, Ihrer Schwester, Ihrer Beraterin, aber behalten Sie Trennungsdetails bei allen anderen Personen für sich, damit Sie Ihre Aussagen hinterher nicht bereuen müssen. Wutausbrüche sind auch nichts für Kinderohren!
  • Werden Sie aktiv, bewegen Sie sich, damit Sie Stresshormone abbauen und sich zugleich etwas Gutes tun.
  • Verschaffen Sie sich sinnvolle Ablenkung, beginnen Sie ein neues Projekt: misten Sie aus, nehmen Sie sich eine Auszeit, graben Sie den Garten um, engagieren Sie sich für ein gemeinnütziges Projekt, fahren Sie mit Ihren Kindern oder Freundinnen auf Urlaub… Das erzeugt Lebensmut, Optimismus und Perspektive und bestärkt Sie im Gefühl, gebraucht zu werden.

Wut, Verzweiflung, Trauer und Schmerz treten nicht nacheinander auf, sondern können sich innerhalb desselben Tages in häufiger Folge abwechseln. Genau das macht die Trennungskrise körperlich und seelisch so anstrengend. Meditation und Achtsamkeitsübungen können hier nachgewiesenermaßen dabei unterstützen, wieder die Balance zu erlangen. Die Erkenntnis, dass Sie diese Gefühle HABEN, aber nicht diese Gefühle SIND, lässt Sie auf Abstand gehen und erlaubt Loslassen und Heilung.

Die Phase der Akzeptanz

In dieser Phase wird der Schmerz dumpfer und die Aufmerksamkeit wendet sich vermehrt anderen Dingen zu, als dem Ex. Sie können wieder häufiger Freude empfinden und beginnen, Ihren Alltag neu zu ordnen, ja, vielleicht sogar zu genießen. Der Blick wendet sich vermehrt nach vorne statt zurück, Zukunftspläne werden möglich. Der Prozess des Loslassens hat begonnen. Trennungsphasen verlaufen jedoch keineswegs linear, stellen Sie sich daher auf mögliche Rückfälle ein: Traurigkeit, Wut, Angst oder Verzweiflung, die sich aus heiterem Himmel breit machen. Beobachten Sie diese Gefühle mit dem Wissen, dass sie zum Prozess der Verarbeitung gehören und ihre Berechtigung haben. Sie können die Heilung in dieser Phase unterstützen, indem Sie

  • Grübeleien vermeiden: „Hätte, würde, könnte…“ ziehen Sie in eine Abwärtsspirale, genauso wie negative Gedanken, die Sie selbst als Person (Aussehen, Wesen etc.) infrage stellen.
  • Die Beziehung im Nachhinein nicht verklären, sondern ehrliche Bilanz ziehen: Würdigen Sie die schönen Dinge und machen Sie sich gleichzeitig die Vorteile der Trennung bewusst – denn auch die gibt es mit Sicherheit.
  • Neue Rituale für Ihren Alltag und für die besonderen Tage im Jahr (Geburtstage, Weihnachten…) einführen.
  • Sich mit Menschen umgeben und soziale Kontakte pflegen. Dies ist nachgewiesenermaßen der beste Weg, eine emotionale Krise zu überwinden.

Gefühle sind da, um gefühlt zu werden. Wir haben als Menschen eine erstaunlich große Bandbreite an Gefühlen zur Verfügung, die uns das Leben in all ihren Facetten ER-LEBEN lassen. Ein bewusstes Zulassen und Erleben von Gefühlen verbunden mit Selbstreflexion helfen dabei, auch herausfordernde Kapitel unseres Lebens gut in unsere Biografie integrieren zu können.

Die Phase des Neubeginns

In dieser Phase haben Sie begonnen, Ihr Leben ganz neu auszurichten. Sie haben Ihren Alltag neu organisiert, Ihre Freundschaften und sozialen Netzwerke sortiert und schauen im Idealfall optimistisch in die Zukunft. Normalität kehrt ein. Auch wenn die Krise überwunden ist, sollte der Heilung von Wunden weiterhin Raum gegeben werden. Je nach innerlicher Verbundenheit sind bis zu 3 Trauerjahre nach langen Beziehungen nichts Ungewöhnliches. Sie befinden sich in einem Reifungsprozess, den viele im Nachhinein als positiv bewerten. In der Phase des Neubeginns ist es hilfreich

  • Sich mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen nochmals gezielt auseinander zu setzen. Es gibt wenige Phasen in unserem Leben, in denen so viel Potenzial zur Weiterentwicklung steckt.
  • Verbliebene Schuldgefühle, Kränkungen und Verletzungen zu klären.
  • Strategien für den Schutz Ihrer neu gewonnenen Stabilität zu erarbeiten, gerade wenn Sie Ihren Ex-Partner bei vorhandenen Kindern immer wieder begegnen müssen.
  • Die neue Freiheit zu genießen und sich diese schön zu gestalten. Es darf Ihnen gut gehen!

Auch wenn die Zeit nicht alle Wunden heilt, so ist doch in dieser Phase das Entwickeln von neuen Lebensperspektiven wesentlich dafür, Frieden zu schließen mit dem was war, damit Neues im Leben Platz finden kann.

In jeder der oben beschriebenen Trennungsphasen kann es passieren, dass Sie an Ihre Grenzen stoßen und die Last alleine nicht mehr tragen können. Scheuen Sie sich nicht, in dieser Zeit Unterstützung in Ihrem privaten Umfeld oder durch professionelle Beratung zu holen. Als psychologische Trennungsberaterin stehe ich Ihnen von Frau zu Frau mit vielfältigen Methoden gerne beratend und unterstützend zur Seite.

Konkrete Informationen darüber, wie ich Sie begleiten kann, finden Sie hier >> Trennungsberatung

Herzlichst Ihre

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