Die häufigsten Trennungsgründe nach langjährigen Beziehungen

TimeaAllgemein

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Lebensläufe lassen sich schon lange nicht mehr standardisieren. Dennoch ist ein bemerkenswerter Trend unter den Menschen im mittleren Lebensalter, also zwischen etwa 45 und 55 Jahren, zu beobachten: Der rasante Anstieg von Scheidungen nach einer Ehedauer von 20 und mehr Jahren.

So haben sich etwa in meinem österreichischen Heimat-Bundesland, der Steiermark, die Scheidungsraten nach 25 Ehejahren seit 1989 verdoppelt und liegen derzeit bei einem Viertel aller Scheidungen. Ähnliches gilt für Gesamtösterreich, wo mittlerweile jede 7. Ehescheidung nach 25 Jahren erfolgt. In Deutschland betrug die Scheidungsquote im Jahr 2018 nach 25 Ehejahren 17,5%, 1992 waren es um die Hälfte weniger. Genauso in der Schweiz, wo sich die Scheidungsraten mit einer Dauer von 20+ Jahren von 1970 bis heute verdreifacht haben und damit jede dritte Scheidung betreffen.

Diese Entwicklung, die unter Soziologen mittlerweile den Namen „Grey Divorce“ (Silber-Scheidung) verpasst bekommen hat, lässt sich in den meisten westlichen Ländern beobachten. Doch was steckt hinter den nüchternen Zahlen der Statistik? Und was sind die Gründe für die steigende Anzahl von Scheidungen nach so vielen gemeinsamen Ehejahren?

Die Dynamik der Lebensmitte

Groß angelegte Langzeitstudien mit Millionen von Menschen rund um den Globus haben gezeigt, dass der Verlauf unserer Lebenszufriedenheitskurve U-förmig ist. Den Tiefpunkt erreicht sie in den mittleren Jahren zwischen dem 44. und 46. Lebensjahr und zwar weltweit sowohl bei Frauen wie bei Männern. Die sog. „Midlife-Crisis“ ist also kein Phänomen, dass nur wohlhabenden Männern im mittleren Alter angedichtet wird, sondern in den unterschiedlichsten Ausprägungen eine tatsächlich stattfindende Herausforderung für die individuelle Identitätsentwicklung. Dass es hierbei im Getriebe schon einmal ordentlich knirschen kann, hat auch mit dem individuellen Lebenszyklus zu tun. Familiäre und gesellschaftliche Herausforderungen der „Sandwich-Generation“, die neben beruflichen Verpflichtungen auch mit der Verantwortung für das Wohlergehen der Kinder und gleichzeitig mit der wirtschaftlichen und pflegerischen Absicherung der Eltern konfrontiert ist, sorgen für eine Krisenanfälligkeit in den mittleren Lebensjahren. Hinzu kommen zentrale Ablösungs- und Loslösungsprozesse wie der Auszug der Kinder, der Tod der Eltern, die Auseinandersetzung mit ursprünglichen Lebensentwürfen und die Bilanzierung des bisher Erreichten. Dass diese Stressoren nicht ohne Auswirkung auf die Partnerschaften bleiben, zeigen die oben genannten Zahlen der internationalen Scheidungsstatistiken.

Gründe für die Scheidung von Langzeitehen

Ein Grund für den Anstieg der Scheidungszahlen nach Langzeitehen ist die Tatsache, dass diese heute schlicht und einfach möglich sind. In der Generation unserer Großeltern waren Scheidungen selten bis undenkbar. Familiäre und wirtschaftliche Interessen sowie gesellschaftliche Normen hatten nicht das persönliche Glück im Fokus. Eine Scheidung war ein Tabu und wirkte sich stigmatisierend auf den gesellschaftlichen Status vor allem von Frauen aus. Das finanzielle Überleben ohne Mann war faktisch nicht möglich. Der wirtschaftliche Aufschwung und die zunehmende Liberalisierung der Gesellschaft in den Nachkriegsjahren ermöglichte es jungen Leuten nach und nach, selbstbestimmt über die Wahl des Ehepartners zu entscheiden. Familiäre und wirtschaftliche Interessen mussten hinter das Recht auf das persönliche Glück zurücktreten. Aufgrund gesellschaftspolitischer Veränderungen sind Frauen in den meisten Fällen mittlerweile sehr wohl in der Lage, ihr Leben auch ohne Mann zu bestreiten. Nicht ohne Grund erfolgen daher mittlerweile mehr als die Hälfte aller Scheidungen auf Initiative der Frauen.

Neben diesen äußeren Gründen spielen auch ganz persönliche Gründe eine entscheidende Rolle. Eine breit angelegte Schweizer Studie unter der Entwicklungspsychologin Pasqualina Perrig-Chiello von der Universität Bern konnte unlängst drei individuelle Hauptgründe für eine Trennung nach Langzeitehen identifizieren: Häufigster Grund war danach die zunehmende gegenseitige Entfremdung, gefolgt von unüberbrückbarer Inkompatibilität und der außerehelichen Beziehung bzw. der Untreue des Partners.

Lesetipp: Pasqualina Perrig-Chiello, Wenn die Liebe nicht mehr jung ist – Warum viele langjährige Partnerschaften zerbrechen und andere nicht, Bern 2017

Wir haben uns auseinandergelebt

Ein zu großer Altersunterschied, unterschiedliche individuelle Entwicklung und zunehmend auseinanderdriftende Lebensentwürfe der Partner aufgrund fehlender Veränderungs- und Anpassungsbereitschaft tragen häufig zu einer schleichenden Entfremdung bei. Die Folge ist Unzufriedenheit, Desillusionierung und Resignation der Partner. Gelingt es dem Paar langfristig nicht, den Balanceakt zwischen der gemeinsamen Entwicklung als Paar und der Entwicklung als Individuum zu meistern, verstummt die Beziehung und stirbt langsam und leise. Die Ehe wird zum Arrangement.

Wir konnten einfach nicht mehr miteinander

Unverträglichkeit und Kommunikationsprobleme aufgrund zunehmend unterschiedlicher Werte und unvereinbarem Lebensstil erzeugen im Gegensatz zur Entfremdung andauernde und offene Konflikte. Die Überforderung aufgrund einer Lebenskrise des Partners, aufgrund religiöser oder weltanschaulicher Umorientierung, psychischer oder körperlicher Erkrankungen werden häufig als Begründung für eine zunehmende Unverträglichkeit angeführt. Eskalierende Meinungsverschiedenheiten scheinen damit ein sicherer Wegbereiter für das Ende einer Beziehung zu sein. Als die „apokalyptischen Reiter“ der Interaktionsformen auf dem Weg zu einer Trennung oder Scheidung werden in der Studie von Perrig-Chiello folgende genannt:

  • Globale Kritik, destruktive Vorwürfe, Anklagen und Verurteilung
  • Verachtung, zynische Bemerkungen, Spott, Provokation, Beleidigungen
  • Rechtfertigung, Gegenvorwürfe, einseitige Schuldzuweisung, Beharren auf der eigenen Position
  • „Mauern“ (zu rund 85% bei Männern auftretend), Ignorieren des anderen, Themenwechsel, eisige Distanz

Unabwendbar wir die Trennung, wenn sich die genannten Faktoren einzeln oder im Zusammenspiel über Jahre aufaddieren und irgendwann das erträgliche Maß überschreiten.

Fremdgehen und Untreue

Eine außereheliche Beziehung zählt zu den drei häufigsten Trennungsgründen. Sie zählt zu den unerwarteten biografischen Wendepunkten und ist psychisch extrem fordernd. Dabei wirkt sich eine außereheliche Liebesbeziehung des Partners laut Angaben der Betroffenen massiver aus, als die „lediglich“ sexuelle Untreue. Fremdgehen und Untreue werden häufiger von Frauen als von Männern als Trennungsgrund angeführt, es sind daher mehrheitlich Frauen, die wegen außerehelichen Beziehungen verlassen werden. Für zwei Drittel der Betroffenen kommt diese Art der Trennung unerwartet, wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Auseinandersetzung mit den Gründen

Ganz gleich ob frau verlassen wurde oder selbst gegangen ist: Die Auseinandersetzung mit den Gründen der Trennung sollte keinesfalls verdrängt werden. Die Hintergründe einer Trennung sind meistens sehr intim, heikel und oft mit Scham behaftet. Verletzungen und Demütigungen haben massiven Einfluss auf das Selbstwertgefühl, denn wer will schon als Verlassene, als Ehebrecherin, als Versagerin vor sich und der Umwelt dastehen? Die Konstruktion von emotional oder gesellschaftlich akzeptablen Gründen ist daher ein Schutzmechanismus, der allerdings der Aufarbeitung des Erlebten im Wege steht. Für die Weiterentwicklung genauso wie für eine neue Partnerschaft ist es daher sinn- und wertvoll, die Trennungsgründe zu identifizieren und sie genau anzuschauen, damit Heilung stattfinden kann. Die professionelle psychologische Trennungsbegleitung bietet unzählige Methoden für die Auseinandersetzung mit den schmerzhaften Aspekten einer Trennung. Gerne stehe ich Ihnen bei Ihrem persönlichen Anliegen unterstützend zur Seite.

Konkrete Informationen darüber, wie ich Sie begleiten kann, finden Sie hier >> Trennungsberatung

Herzlichst Ihre

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