Warum Freundschaften nach einer Scheidung auf der Strecke bleiben

TimeaAllgemein

Freundschaft

Lesezeit: 4,5 Minuten

Als Trennungsberaterin führe ich viele Gespräche mit Frauen, die ihr Leben nach einer Scheidung oder Trennung neu sortieren. Immer wieder begegnet mir hierbei die Frage, warum Freundschaften häufig nach einer Scheidung auf der Strecke bleiben. Studien haben 5 Gründe zutage gefördert, deren Kenntnis Ihnen dabei helfen kann, neue Einsichten zu gewinnen und sich weniger isoliert zu fühlen.

Freundschaften im Ungleichgewicht

„Als sie erfuhren, dass wir uns trennen werden, wurden eine ganze Reihe von gemeinsamen Freunden plötzlich unsichtbar“, erzählt mir meine Klientin Detti*, „ich kam mir vor, wie auf einer Eisscholle. Auch nachdem die Scheidung durch war, wurden Einladungen zu Grillfesten und anderen gemeinsamen Treffen immer seltener. Freunde, mit denen wir uns als Familie immer wieder trafen, wurden unverbindlich oder meldeten sich einfach nicht mehr. Die Kinder machte das ziemlich traurig. Irgendwann hörte ich auf, nachzurennen. Ehrlich gesagt fühlte ich mich bei den wenigen Einladungen sowieso fehl am Platz und nicht willkommen. Passiert so etwas nur mir?“

Das, was Detti hier berichtet ist eine Erfahrung, die die meisten Geschiedenen teilen. Nach einer Scheidung müssen nicht nur die familiären Beziehungen, sondern auch Freundschaften neu kalibriert werden. Vor allem freundschaftliche Beziehungen zu Paaren gestalten sich hierbei schwierig. Es existieren einige wenige Langzeitstudien zum Thema, die die folgenden 5 Gründe für die Veränderung von Freundschaften nach einer Scheidung identifiziert haben:

Die 5 Gründe, warum Freundschaften nach einer Scheidung auf der Strecke bleiben

1. Geschiedene ziehen sich häufig selbst zurück. Die meisten Geschiedenen fühlen sich in der Gesellschaft von Freunden und Familie nach der Trennung nicht mehr dazugehörig und häufig emotional einsam. Gerade bei Zusammenkünften mit anderen Paaren macht sich Unbehagen breit, weil man an die eigene Beziehung erinnert wird und das Glück der anderen das eigene Versagen widerspiegelt. Neid, Scham und Trauer aufseiten der Geschiedenen, Loyalitätskonflikte und Unsicherheit auf Freundesseite erschweren die Kommunikation und bringen Paarfreundschaften ins Ungleichgewicht. Das führt dazu, dass Geschiedene die Nähe zu befreundeten Paaren zunehmend meiden und sich eher an Menschen mit ähnlichen Trennungserfahrungen wenden. Sie investieren gleichzeitig mehr in ressourcenvollere individuelle Freundschaften. Solche haben gemäß einer der wenigen Studien hierzu in 60% der Fälle Bestand und verstärken sich sogar in den meisten Fällen.

2. Scheidung polarisiert. Freunde befinden sich häufig in einem großen Loyalitätskonflikt und fühlen sich im Kampf der Geschiedenen um den gemeinsamen Freundeskreis instrumentalisiert. Sie fühlen sich genötigt, Partei zu ergreifen und sind verunsichert, wie sie die Freundin/den Freund, die/der plötzlich Single ist, unterstützen können. Freundschaften von Paaren zu beiden Geschiedenen bleiben nur sehr selten bestehen und bleiben zur Gänze auf der Strecke, wenn für eine der Seiten Partei ergriffen wird.

3. Angst vor Konkurrenz. Frisch geschiedene werden unter verheirateten Paaren häufig – bewusst oder unbewusst – als Konkurrenz wahrgenommen und damit als Gefahr für die eigene Beziehung eingestuft. Gerade wenn die eigene Paarbeziehung auf wackeligen Füßen steht, ziehen sich Paare von Geschiedenen instinktiv zurück, um die eigene Beziehung zu schützen. So werden gemäß einer Studie auch 7 von 10 Freundschaften von verheirateten Paaren zu Geschiedenen abgebrochen.

4. Angst vor sozialer Ansteckung. Die Trennung von Freunden stellt oft auch die eigene Beziehung infrage und erzeugt eine Angst vor „Ansteckung“. Diese Angst ist nicht unberechtigt. Eine US-Studie mit über 10.000 Menschen über 2 Generationen hinweg hat erstaunliche Ergebnisse zu Tage gefördert: Hat man gute Freunde, die gerade eine Scheidung durchleben oder hinter sich gebracht haben, erhöht sich das eigene Scheidungsrisiko um 75%. Dieselbe Wirkung zeigt sich, wenn sich Freunde von Freunden scheiden lassen, selbst wenn man diese persönlich nicht kennt. Scheidung ist also ein kollektives Phänomen, das über die direkt betroffenen hinaus reicht.

5. Soziales Stigma. Verheiratete Paare werden nach wie vor als Mainstream angesehen und sind in unserer patriarchalischen Kultur besser akzeptiert als sog. alternative Lebensentwürfe. Auch wenn steigende Scheidungsstatistiken seit mindestens zwei Generationen ein Umdenken implizieren sollten, wird nach wie vor das traditionelle Bild der Familie von Gesellschaft und Gesetzgebung bevorzugt. Geschiedene werden einer Subkultur zugeordnet, in der traditionelle Werte weniger geachtet werden und soziale Standards wie Treue, Verbindlichkeit und Opferbereitschaft nicht den gewünschten hohen Stellenwert haben. In vielen sozialen Kreisen wird es nach wie vor mit Versagen gleichgestellt, wenn man es nicht geschafft hat, die eigene Ehe über die Jahrzehnte zu retten. Kein Wunder also, wenn Freundschaften zwischen Geschiedenen und Verheirateten nach der Trennung in die Schieflage geraten.

Was können Sie selbst tun, wenn Freundschaften auf der Strecke bleiben?

Gute Freunde und stabile soziale Netzwerke sind gerade in Krisenzeiten existenziell. Sie helfen Trauer und Schmerz zu verarbeiten und die emotionale Einsamkeit zu lindern. Menschen mit starker sozialer Einbettung leben länger und gesünder – unterstützende Beziehungen sind daher essentiell für unser Wohlbefinden und unsere Lebensqualität.

Dennoch scheinen im Lichte einschlägiger Studien im Fall von Trennung bzw. Scheidung Paarfreundschaften in den meisten Fällen nicht die beste Option zu sein, um emotionale Isolation zu lindern. Eine klare Kommunikation kann sicherlich helfen, die Freundschaft dennoch durch den schwierigen Übergangsprozess zu navigieren. „Obwohl wir uns gerade trennen, würde ich gerne die Freundschaft mit Euch weiterführen und werde mich bemühen, Euch nicht zu einer Entscheidung für einen von uns zu drängen.“ Eine solche Aussage kann Befürchtungen über Loyalitätskonflikte von befreundeten Paaren abschwächen. Es ist aber auch völlig in Ordnung Unsicherheit darüber auszudrücken, wohin sich eine Freundschaft entwickeln wird. „Ich schätze Eure Teilhabe an meinem Leben sehr, lasst uns schauen, wohin sich unsere Freundschaft unter den neuen Umständen entwickeln kann.“

Auch wenn es schwer fällt sollten Sie nicht versuchen etwas zu erzwingen und mit dem Ex um die gemeinsamen Freunde konkurrieren. Besser ist es, sich ehrlich die Frage zu stellen, wie wichtig einem die Freundschaft tatsächlich ist und wie sie nach einer Scheidung oder Trennung neu definiert werden kann. Von einigen Freunden werden Sie sich wohl trennen, von anderen werden sie echte Zuwendung erfahren – und genau solche Freunde brauchen Sie jetzt. Nur die Freundschaften mit wirklichem Tiefgang können Ihnen eine wertvolle Ressource in der Trennungskrise sein.

Pflegen Sie soziale Kontakte in der Trennungszeit und auch danach besonders und öffnen Sie sich auch für neue bereichernde Begegnungen. Gruppenreisen, Vereine, Fortbildungen, Sprach- und andere Kurse sind eine wunderbare Gelegenheit hierzu.

Herzlichst Ihre

Konkrete Informationen darüber, wie ich Sie begleiten kann, finden Sie hier >> Trennungsberatung

* Detti ist keine reale Klientin, sondern Sprachrohr für Themen aus meinem Beratungsalltag. Über Detti teile ich in diesem Blog Fragen und Anliegen von Klientinnen, die auch für andere wertvolle Anregungen liefern können.

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