Die Kunst, einen guten Schlussstrich zu ziehen

TimeaAllgemein

Die Kunst, einen guten Schlussstrich zu ziehen

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Erinnern Sie sich noch an die Filme „Kramer gegen Kramer“ und „Der Rosenkrieg“? Generationen von Scheidungskindern erkennen sich und die Trennungsumstände ihrer Eltern in diesen Filmen – zumindest teilweise – wieder. Die 70er und 80er Jahre bescherten uns lebhafte Erinnerungen an die hässlichen Scheidungen von Eltern, die vor Gericht unter gegenseitigen Beschuldigungen erbittert um Kinder und eheliches Vermögen stritten. Ein gelungener Schlussstrich? Dank Verschuldensprinzip im Scheidungsrecht eine Ausnahmeerscheinung.

Seitdem hat sich – zum Glück – vieles getan. Die Gesetzgebung stellt in Österreich seit 1999 das Zerrüttungsprinzip vor das Verschuldensprinzip. Damit wird die einvernehmliche Scheidung im Außerstreitverfahren entschieden. Rund 90% der jährlichen 16-20 Tausend Scheidungen in Österreich erfolgen einvernehmlich nach § 55a EheG.

Die Schlammschlachten der 70er und 80er gehören damit weitgehend der Vergangenheit an: Man einigt und trennt sich zähneknirschend einvernehmlich und spart Zeit, Nerven und Anwaltskosten.

Der Wunsch nach einer Scheidung in Würde

Doch bedeutet einvernehmliche Scheidung auch eine Scheidung in Würde und ohne Beziehungstrauma? Gesamtgesellschaftliche Tendenzen gehen insgesamt Richtung mehr Empathie und Kooperation im Umgang mit unseren Mitmenschen, auch in Trennungssituationen. Gerade wenn Kinder beteiligt sind, ist es elementar als Eltern eine brauchbare Kommunikationsbasis zu pflegen, um die Belastung der Kinder zu minimieren.

Nicht nur Elternpaare verspüren den Wunsch, keine verbrannte Erde zu hinterlassen und sich in Würde zu trennen. Es fehlt jedoch häufig eine brauchbare Strategie für einen solchen würdevollen Umgang mit den seelischen Herausforderungen einer Trennung. Es helfen die besten Absichten nichts, wenn das Vertrauen zerstört und die Kommunikation mit dem Partner eskaliert ist.

Die gute Nachricht: Eine Trennung kann auch friedvoll passieren und es gibt Strategien hierfür, die funktionieren. Bei diesen geht es darum,

  • emotionalen Frieden zu finden,
  • aus der Opfer-Rolle heraus zu kommen und
  • hinderliche Verhaltensmuster zu durchbrechen, damit Groll abgelegt werden kann und
  • neue Übereinkünfte für die Zukunft gefunden werden können.

Wie ziehe ich einen guten Schlussstrich?

Entgegen dem weit verbreiteten Zitat „Die Zeit heilt alle Wunden“ ist es nicht die Zeit, sondern wir selbst, die unsere emotionalen Wunden heilen. Neben dem guten Willen erfordert der würdevolle Abschied von einer Beziehung daher vor allem eines: Arbeit an sich selbst. Erst wenn die innere Auseinandersetzung mit den eignen Gefühlen und Verhaltensmustern stattgefunden hat, kann eine klärende Hinwendung zu Verletzungen und Groll erfolgen und die Beziehung zum Ex-Partner konstruktiv aufgearbeitet werden.

Neubeginn erfordert emotionale Freiheit. Solange wir in Wut, Hass oder Groll verhaftet sind, binden wir uns an den Ex-Partner und der Schritt in eine neue, freie Zukunft bleibt uns verwehrt.

5 Schritte zur heilsamen Trennung

Die folgenden fünf Schritte unterstützen dabei, eine Trennung ohne Rosenkrieg, dafür in Würde und mit gegenseitigem Respekt zu überstehen:

1. Gefühle erkennen und anerkennen – hier geht es darum, den eigenen oft überwältigenden Gefühlen Raum zu geben und sie zu würdigen, ohne ihnen jedoch die Zügel in die Hand zu geben. Oftmals enden Beziehungen, weil sich die Partner nicht mehr mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen fühlen. „Für meinen Partner bin ich durchsichtig geworden“, sagte mir neulich eine Klientin. Die Entscheidungen, die Sie unter dem Einfluss von aufsteigenden Emotionen wie Wut, Hass, Angst und Verzweiflung in einem Trennungsprozess treffen und die Handlungen, die Sie aufgrund solcher Gefühle setzen, entfalten eine jahrelange oder sogar lebenslange Wirkung. Aus diesem Grund ist es wichtig, destruktive Gefühle in Impulse für konstruktive Veränderung umzuwandeln und die emotionalen Zügel fest in der Hand zu behalten.

2. Das Leben wieder in den Griff bekommen – Ihr Partner hat Sie betrogen, hintergangen, war gemein und unausstehlich? Möglicherweise. Sie haben ihm die Macht dazu übertragen, so zu handeln? Wahrscheinlich. Auch wenn Ihr (Ex)Partner zu 97% die Schuld an Ihrer Trennung hatte, ist es Ihre Aufgabe, Ihren dreiprozentigen Beitrag genaustens anzuschauen. Warum? Damit Sie Muster erkennen und dazu lernen können, um sich wieder vertrauensvoll anderen Menschen zu öffnen. Dies ist der einzige Weg, nicht in der Opfer-Rolle zu verharren und dieselben Muster bei nächster Gelegenheit zu wiederholen.

3. Negative Muster durchbrechen – Das Erkennen von hinderlichen Verhaltensmustern hilft uns, die Quelle dieser Muster zu identifizieren. Meistens liegt diese in einem Kindheitserlebnis, in dessen Zuge wir einen Beschluss bezüglich unseren emotionalen Beziehungen gefasst bzw. eine Konsequenz hierüber gezogen haben. Allerdings konnten wir als Kinder nicht auf diejenigen Erfahrungswerte und Erkenntnisse zurückgreifen, die wir als reifere Erwachsenen haben. So werden oft Glaubenssätze aus der Kindheit abgespeichert und ins Erwachsenenalter mitgenommen. Wir aktivieren sie unbewusst in ähnlichen Situationen, ohne sie darauf zu untersuchen, ob sie uns noch von Nutzen sind. Hier ist es hilfreich, eine mentale Reise zu unserem inneren Kind zu unternehmen und es liebevoll mit den Ressourcen, die uns heute zur Verfügung stehen zu versorgen und es gemeinsam mit uns erwachsen werden zu lassen.

4. Mitgefühl und Wertschätzung entwickeln – In den ersten drei Schritten drehte sich alles um unsere innere Arbeit. Nun, im vierten Schritt, gehen wir in den – tatsächlichen oder imaginären – Dialog mit dem (Ex)Partner, sei es zum Wohle gemeinsamer Kinder, eines gemeinsamen Unternehmens oder anderer gemeinsamen Verstrickungen. Um anhaltende Spannungen mit den Ex aufzulösen sollten wir weniger darauf fokussiert sein, verstanden zu werden und mehr darauf, die Auswirkungen unserer Entscheidungen und Handlungen zu verstehen. Hier geht es nicht darum, unsere Bedürfnisse zu stillen, die Ansichten des Partners zu verändern oder unauflösbare Differenzen zu beseitigen. Es geht um die Bereitschaft, Verantwortung für die Auswirkungen unserer Entscheidungen und Handlungen auf andere zu übernehmen: Es geht um Wiedergutmachung. Vorhandene Verletzungen werden durch Reue und einer Entschuldigung nicht rückgängig gemacht, aber die ernsthafte Bemühung um Wiedergutmachung im Jetzt macht uns wieder frei für einen hoffnungsvollen Schritt in eine vertrauensvolle Zukunft.

5. Glücklich auch nach dem Ende – In diesem fünften Schritt geht es um weise, gesunde und lebensbejahende Entscheidungen für die Zukunft. Im Krisenmodus verlieren wir den Blick für die vielfältigen Möglichkeiten eines mit Freude erfüllten Lebens jenseits der Krise. Es geht darum, die Liebe und die Beziehung, die uns mit unserem (Ex)Partner vormals verbunden hat, zu würdigen und das Gute daraus für die Zukunft mitzunehmen: Sei es als wertvolle Lehre, als Quelle von wunderbaren Kindern, verwirklichten Projekten, Zeiten voll Freude oder als Beitrag zu einer Gemeinschaft. Abschlussrituale können hier auf wunderbare Weise den Übergang in einen neuen Lebensabschnitt markieren und helfen, Altes abzuschließen und Neues hinein zu lassen.

Wenn Sie bis hierher gelesen haben, werden Sie erkennen, dass eine Trennung/Scheidung keine lebenslange Belastung sein muss. Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt in Richtung bewusste und würdevolle Trennung zu tun. Denn es darf und soll Ihnen gut gehen – auch in Trennungszeiten. Gerne begleite ich Sie auf Ihrem Weg.

Herzlichst Ihre

Konkrete Informationen darüber, wie ich Sie begleiten kann, finden Sie hier >> Trennungsberatung

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